tagasi kooli
Der erste September ist der erste Schultag nach den Sommerferien für alle estnischen Schülerinnen und Schüler – und auch für mich. Dieser Tag ist etwas Besonderes und läuft anders ab als ein Schulstart in Deutschland. Alle SchülerInnen tragen festliche Kleidung, wie zum Beispiel „ordentliche“ Stoffhosen und Hemden oder Kleider. Außerdem gibt es die Tradition, dass die SchülerInnen ihren KlassenlehrerInnen Blumen mitbringen. Die Schule beginnt erst mittags - bestimmt deshalb, damit wirklich alle nach den langen Ferien gut ausgeschlafen sind!
Erst trafen wir uns in unseren Klassen, danach versammelte sich die ganze Schule auf dem Sportplatz, wo ein paar Reden gehalten wurden und wir vom Schulleiter herzlich willkommen geheißen wurden.
Dann folgte eine Klassenlehrerstunde, in der es um das gegenseitige Kennenlernen und Organisatorisches ging. Ich war zuvor schon bei einem Gespräch mit dem Direktor in eine zehnte Klasse eingestuft worden. Der erste Schultag endete mit einer Führung durch die Schule für alle neuen Schülerinnen und Schüler. Unterrichtssprache ist natürlich estnisch.
Meine Schule ist ein „Reaalgümnaasium“, ein Real-Gymnasium, eine „High School of Sciences“, wohl so etwas wie eine schleswig-holsteinische Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe. Sie ist größer als meine bisherige Schule in Deutschland und wird von Erst- bis Zwölftklässlern besucht. Die Klassen sind mit rund 25 Personen etwa gleich groß wie die in Deutschland. Es gibt aber auch viele Unterschiede zwischen meiner Schule in Deutschland und meiner estnischen Schule.
Zum Beispiel werden hier neben den üblichen Fächern wie Physik, Sport und Bio noch andere Fächer unterrichtet, wie etwa Programmieren, Kunstgeschichte, estnische Literatur, Astronomie sowie Wahlfächer wie Deutsch oder Russisch. Anders als in meiner alten Schule gibt es in den Fächern Englisch und Mathe Kurse, die nach Leistung aufgeteilt sind.
Bildung ist den Esten sehr wichtig. Estlands Schüler gehören zu den besten Schülern der Welt, nach Schulleistungsuntersuchungen der PISA-Studie von 2015 ist Estland gemeinsam mit Finnland Spitzenreiter auf der Rangliste unter den europäischen Nationen. Im Jahre 2016 war Estland unter 71 weltweit teilnehmenden Ländern in Mathematik auf Platz neun, in Naturwissenschaften auf Platz drei und im Leseverständnis auf Platz sechs. Insgesamt war Estland also auf Platz sechs, vor Finnland (Platz acht) und Deutschland (Platz 13).
Dass der Unterricht hier auf einem wirklich hohen Niveau stattfindet, ist mir in einigen Fächern aufgefallen, aber auch in Sport. Die Sportstunden sind echt anspruchsvoll und anstrengend. Ich war sehr froh, als ich fürs Sprinten die zweitbeste Note, eine vier, bekommen habe - das mit den Noten ist ja hier andersherum, also die beste ist eine fünf. Übrigens werden in Sport Jungs und Mädchen getrennt unterrichtet.
Die Schule ist meist von sieben bis 21 Uhr geöffnet, mein Unterricht beginnt um acht und geht bis in den Nachmittag. Hin und wieder habe ich Freistunden, allerdings oft auch noch Haus- oder Projektaufgaben zu erledigen oder Referate vorzubereiten.
Da die Schultage länger als in Deutschland sind, gibt es für alle SchülerInnen die viel genutzte Möglichkeit, in der Schule zu essen - kostenlos. Es gibt Frühstück (meistens Porridge) und Mittagessen (Suppe, Nudel-, Kartoffel-, Reisgerichte) und natürlich kann man auch zwischendurch Snacks in der Cafeteria kaufen, die vielleicht etwas günstiger und auf jeden Fall gesünder sind als die, die ich aus Deutschland kenne.
Nicht zu vergessen sind die Schulregeln, die strenger sind, als ich es gewohnt bin. Beispielsweise gibt es klare Vorschriften zur Kleidung, die während der Schulzeit getragen werden darf. Es ist nicht erlaubt, Hosen mit Löchern oder Jogginghosen zu tragen, ebenso keine Oberteile, bei denen man Bauch oder Rücken sieht, auch Make-up ist untersagt.
Ebenfalls neu für mich ist, dass jedes Fach in einem anderen Raum stattfindet. Jede Lehrkraft hat einen festen Raum, und die Schüler kommen dann zu den Lehrern und haben keinen festen Klassenraum.
Und nicht zuletzt möchte ich erwähnen, dass auch der Unterricht an sich etwas anders ist. In den meisten Fächern wird größtenteils frontal unterrichtet und auch die mündliche Mitarbeit der SchülerInnen wird nicht so wichtig genommen, denn sie beeinflusst die Noten nicht. Und, wie ich schon erwartet hatte, ist meine Schule jetzt, was Technik angeht, etwas moderner als meine deutsche Schule. Nicht nur die Ausstattung mit technischen Geräten ist besser, es gibt auch Schul-Wlan für alle und die Stunden sind anders gestaltet - oft wird der Unterricht durch eine Powerpoint-Präsentation vom Lehrer begleitet, Schüler arbeiten häufig selbstständig am Computer und surfen im Internet am eigenen Handy, oder die Klasse nimmt über Handys an Online-Quizspielen teil.
Außerdem werden Hausaufgaben, Unterrichtsmaterialien, wichtige Informationen, Arbeitsanweisungen, Ankündigungen von Tests und Arbeiten sowie Noten online bei „e-Kool“ eingestellt, wo jeder Lehrer, Schüler und auch die Eltern Zugriff zu haben. eKool ist ein Schulverwaltungssystem, es unterstützt den Schüler, der dadurch einen besseren Überblick hat, und informiert die Eltern ständig über die Entwicklung ihrer Kinder.
Im Großen und Ganzen gibt es schon einige Unterschiede zwischen den Schulen in Estland und Deutschland, vieles ist natürlich auch von Schule zu Schule anders. Manche YFU-Austauschschüler besuchen estnische Schulen mit Musik- oder Kunst-Schwerpunkt. Einige Dinge gefallen mir in Deutschland besser, andere finde ich hier in Estland besser geregelt. Es ist definitiv interessant, eine neue Schule als richtige Schülerin zu erleben und so viel Neues kennenzulernen!
Und dazu gehört nicht nur der Unterricht, sondern auch die Ausflüge, Wandertage, Home-schooling-weeks und die Nachmittagsangebote wie z.b. Volkstanz.