Wie alles begann - Ein Auslandsjahr
“Einmalige Chance,” sagte meine Schwester.
“Eine Möglichkeit, einzigartige Erfahrungen zu sammeln,” sagte meine Lehrerin.
“Es gibt keinen besseren Weg, andere Länder und Leute kennen zu lernen,” sagten meine Eltern.
“Aufbesserung der Sprachkenntnisse und Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit,” sagte das Internet.
“Einfach nur toll,” sagte mein Nachbar Niels*.
“Ui, ui, ui,” dachte ich.
Eigentlich fing alles mit meinem Nachbarn Niels an. Einem netten Vater mit zwei kleinen Töchtern, der in unserer Straße wohnt und mit dem meine Eltern durch den Kindergarten gut befreundet sind. Er arbeitet in einer Organisation für Schüleraustausch. Seit einigen Jahren passe ich gelegentlich auf die Kinder auf, und ab und zu fragte er mich, ob ich mir so ein Auslandsjahr auch vorstellen könnte. “Na klar,” sagte ich, was auch wirklich nicht gelogen war, weil ich unternehmungslustig und reisefreudig bin. Aber wirkliche Gedanken dazu machte ich mir zu dem Zeitpunkt noch nicht: “Wenn, dann später.” So verging einige Zeit, immer mal erwähnte Niels, dass er bei Fragen gerne zur Verfügung stehe.
Als ich dann in die zehnte Klasse ging, sprach ich auch mit meinen Eltern über das Thema. Die waren direkt begeistert und sagten, dass die elfte Klasse besonders für ein Auslandsjahr geeignet wäre. Also setzte ich mich hin und informierte mich auf der Website von “Youth For Understanding”, kurz yfu, da dort auch Niels arbeitet. Dort gab es viele Informationen zu der Organisation an sich, zu den unterschiedlichen Programmen und der großen Auswahl an Gastländern. Besonders beeindruckten mich aber die Erfahrungsberichte von Schülern und Schülerinnen, die selbst ein Auslandsjahr gemacht hatten, sowie die vielen tollen Fotos. Ab dem Zeitpunkt war ich mir sicher: Das will ich auch machen! Aber YFU ist nicht die einzige Organisation, die Auslandsjahre anbietet, also schaute ich mir natürlich auch ein paar andere Seiten im Internet an, zum Beispiel die von Travelworks, EF oder Iska. Klang alles nicht übel, aber letztendlich überzeugte mich keine so doll wie YFU. Mir und meinen Eltern waren nicht nur die Länderauswahl und die Preise wichtig, sondern auch besonders die Gemeinnützigkeit und Erfahrung der Organisation.
Zusammen mit meiner Mutter machte ich mich an die Bewerbung. Bei YFU ging das ganz unkompliziert online, indem man quasi nur Sachen eintragen musste. Trotzdem saß ich da mehrere Tage dran, weil ich mir zu einigen Fragen länger Gedanken machte. Am Anfang waren das Standard Angaben wie Geburtsdatum und Adresse, später kamen Fragen zu Hobbys, der eigenen Persönlichkeit und dem Länderwunsch. Es gab von Anfang an zwei wichtige zu beantwortende Fragen für mich: Wie lange und wohin. Von zwei Bekannten ließ ich mir erzählen warum das Einjahres-Programm am besten wäre. Und da auch ich davon überzeugt war, dass es sich erst lohnt, wenn man sich wirklich eingelebt hat, die Sprache kann und ein wirklicher Teil der Familie und des Freundeskreises ist, entschied ich mich schnell für ein ganzes Jahr. Doch die Frage “Wohin?” konnte ich mir so schnell nicht beantworten. Fast jedes der Länder, das auf der Website vorgestellt wurde, klang interessant, und ich konnte mir vorstellen, dorthin zu reisen. Also das Tolle war, dass man nicht nur einen oder zwei Länderwünsche angeben konnte, sondern viele. Es war kein Problem, dass ich neun Länder angab. Meine Erstwahl war Südafrika, meine Zweitwahl Norwegen und danach kamen die baltischen Länder und noch einige mehr.
Wenige Tage, nachdem ich meine Bewerbung abgeschickt hatte, erhielt ich per E-Mail eine Einladung zu einem Kennenlern-Gespräch. Die Freude war groß, doch ich war auch sehr aufgeregt, aber Niels konnte mir versichern, dass es ganz entspannt zugehen würde. Es sollte keine Wissensabfrage sein, sondern nur ein Gespräch zum Kennenlernen, damit die Mitarbeiter einen ersten Eindruck bekommen und einschätzen können, wer wirklich für so eine Herausforderung geeignet ist. Und so war es auch. Früh an einem Samstag Morgen machte ich mich gemeinsam mit meinem Vater auf nach Hamburg, zu der Hauptstelle von YFU. Dort angekommen empfing uns eine freundliche ehrenamtliche Mitarbeiterin. Nach kurzem Warten kamen noch fünf weitere Schülerinnen, alle etwa in meinem Alter, ein Mädchen und vier Jungen. Während alle Eltern, die mitgekommen waren, schon in einem anderen Raum einige Infos bekamen, und sie die Möglichkeit hatten, Fragen zu stellen, unterhielten wir uns untereinander, bis es los ging. Zuerst fand ein Gruppengespräch mit allen statt, wobei vier ehrenamtliche Mitarbeiter zuhörten und Aufgaben stellten. Mir fiel es leicht, mich mit den anderen zu einigen und wir haben uns gut ergänzt. Am Anfang war ich etwas angespannt, weil man nicht so ganz genau wusste, was auf einen zukommt, aber schnell war das vorbei und ich lockerte mich, da alle so nett waren und eine wirklich entspannte Atmosphäre herrschte. Nach dem Gespräch war ich sehr erleichtert, da ich den ersten, und meiner Meinung nach auch schwierigeren Teil geschafft hatte. Nun riefen die Mitarbeiter einzeln jeden von uns auf, denn es folgten die Einzelgespräche, wobei sich zwei Mitarbeiter mit einem unterhielten. Davor hatte ich keine besonders große Angst, da ich mich eigentlich gut vorbereitet hatte. Es ging auch viel schneller als ich dachte, die Mitarbeiter waren sehr freundlich und die Fragen waren interessant und gut zu beantworten. Erleichtert und zufrieden machte ich mich auf den Rückweg.
Zwei Wochen später bekam ich Post, die mir verriet, ob ich angenommen worden bin, und wenn ja, wohin ich fahren würde. Wie man sich schon denken kann, gab es eine positive Bestätigung und ich freute mich total. Und es geht nach ESTLAND! Ich konnte mein Glück kaum fassen, auch meine Familie freute sich mit mir, nur meine Freunde waren nicht so begeistert, dass ich sie für ein Jahr verlassen würde. Bis heute habe ich es noch nicht so wirklich realisiert, aber ich bin mir sicher, dass es ein unglaubliches Jahr wird, in dem ich viel Neues erleben werde.
Jetzt bin ich dabei, mein Profil in der YFU-App einzurichten, damit eine Gastfamilie mich auswählen kann. Einige Fotos von mir bei meinen Hobbys oder mit meiner Familie oder meinen Freunden habe ich schon eingefügt, nun ist noch ein Brief zu schreiben und ein kurzes Video über mich und mein Leben zu drehen.
Ich bin gespannt, wie es weiter geht!
*Name geändert